In einem der letzten Beiträge zum Reduzieren der Kleidung, hatte ich die Problematik mit Altkleider-Spenden bereits kurz angedeutet. Da ich festgestellt habe, dass das Problem wohl doch nicht so bekannt ist, gibt es hiermit einen separaten Blogpost dazu. Es ist einfach zu wichtig und gerade in der aktuellen Zeit und dem vorhandenen Ausmist-Wahn sehr präsent.
Wer kennt diese Container nicht. Sie stehen überall an den Straßen, auf Parkplätzen und Schulhöfen. Altkleider-Container verschiedenster Einrichtungen. Seine Kleidung in Säcken oder Kartons an so einem Container abzugeben, schafft bei den meisten von uns ein gutes Gefühl. Ein Gefühl, jemandem dem es schlechter geht als uns, zu helfen und spenden ist doch eine gute Sache, oder? So bin auch ich groß geworden und vielleicht war das auch mal so.
Fakt ist: Heute haben die meisten unserer Spenden leider alles andere als einen guten Impact. Im Gegenteil, sie verzerren Märkte und zerstören sie.
Wieso braucht es all die Container?
Im Schnitt kauft jeder von uns jedes Jahr ca. 60 Kleidungsstücke. Das bedeutet nicht nur, dass wir im Schnitt mehr als ein Kleidungsstück pro Woche kaufen, es bedeutet auch, dass wir das faktisch gar nicht alles tragen können. Für einen kurzen Rausch und ein paar Tage Freude mit einem Stück nehmen wir in Kauf, dass Menschen und unsere Umwelt ausgebeutet werden. Das Ganze ist ein Thema für sich und man findet bereits viele lesenswerte Beiträge zu den Themen Fast und Fair Fashion. Die Rechnung wie es überhaupt dazu kommt, ist jedoch ganz einfach: Zuviel Kleidung + zu billig eingekauft = keine Hemmschwelle, sie regelmäßig loszuwerden.
60 Kleidungsstücke entsprechen ca. 30 Kilogramm Kleidung. Das heißt die müssen ja jedes Jahr irgendwo hin. Weil wir im Vorjahr schon 30 Kilo gekauft hatten, und das Jahr davor und das davor und und und… Also raffen wir uns gelegentlich auf, machen eine große Ausmistaktion und fühlen uns danach wunderbar frei. Wir spenden oder verschenken die Kleidung, geben sie in einen Container oder entsorgen sie über den Müll. Und da wir nun einen aufgeräumten und vermeintlich klaren Kopf haben, passt doch sicher auch wieder was Neues rein, juhu… Wohl eher nicht. Das Umdenken hat bei dem ganzen Prozess leider noch nicht stattgefunden und das so wichtige Bewusstsein dafür, steckt irgendwo unter den aussortierten Kleidern.
Über gebrauchte Kleidung freuen sich viele – aber leider vor allem diejenigen, die dafür sorgen dass sie ins Ausland gelangen. In Afrika oder dem Nahen Osten wehrt man sich gegen die schier unendlichen Mengen an Altkleidern. Den positiven Impact, den wir hinter unserer Spende vermuten, findet man vergebens.
Zumindest, wenn wir nicht darauf achten, wo wir die Kleidung abgeben. Am besten ist es immernoch, direkt zu spenden, zu verschenken oder zu verkaufen. Seien wir mal ehrlich – in den meisten Fällen sind unsere aussortierten Kleider noch absolut tragbar und kommen weg, weil sie nicht mehr gefallen oder passen. Daher liegen diese drei Möglichkeiten doch am nächsten. Richtig zerschlissene Kleidung, aus der du auch nichts anderes mehr machen kannst – und glaub mir, die Möglichkeiten hier sind schier unendlich…) kommt sowieso in die Textilverwertung (z. B. TexAid Container, siehe nächster Punkt).
Wenn das alles nicht in Frage kommt, bleibt vermeintlich nur noch der Container. Und genau hier ist es wichtig, dass du genau hinschaust. Wieso? Da gibt es schmutzige Gründe dafür.
Container nur für Textilverwertung
Einigen ist das nicht bewusst; nicht jeder Container dient dem Zweck, deine eingeworfene Kleidung auch in dieser Form weiter zu geben. Es gibt einige Container, die speziell für die Textilverwertung sammeln, bei uns zum Beispiel TexAid. Das heißt, eingeworfene Textilien werden nicht erst gemäß ihrem Zustand sortiert, sondern direkt zu z. B. Lappen, recyceltem Nähgarn oder Dämmstoffen geschreddert. Somit ist hier schon das erste Mal Vorsicht geboten, weil die Spende unter Umständen gar nicht erst in eine Sortieranlage kommt und an Menschen weitergegeben wird, die sie brauchen. Hier lohnt sich also erst recht ein doppelter Blick, was auf dem Container steht, wenn du gerade eine Winterjacke in einwandfreiem Zustand einwirfst…
Illegale und legale Container
Es gibt zahlreiche illegale Container verteilt bei uns. Die sind weder immer genehmigt (auf Privatgrund nicht nötig), noch von offiziellen Anbietern, sondern von irgendwelchen privaten Unternehmungen. Zertifikate oder fairer Handel sucht man vergebens. Das Geschäft ist zu lukrativ, als dass der offizielle Weg gegangen wird. Selbst Container von offiziellen Unternehmen wie Humana, haben als Hauptzweck die Gewinnmaximierung, statt einem humanitären Zweck. Die Zurückverfolgung ist dank regelmäßiger Unternehmens-Auflösungen, Scheinfirmen usw. nur schwierig möglich.

So landen tonnenweise Altkleider in Händen, die damit in erster Linie nochmals richtig Geld verdienen wollen und keine selbstlosen, wohltätigen Ziele verfolgen. Die Spendensammlung funktioniert in der Regel immer gleich:
- Am frequentierten Stellen werden Container aufgestellt und regelmäßig geleert..
- Die gesammelten Kleidungsstücke werden zu zentralen Lagern transportiert und dort sortiert. Defektes kommt weg und der Rest wird je nach Zustand zugeteilt. Der Zustand orientiert sich dabei an den Märkten, auf denen sie noch weiterverkauft werden sollen.
- Je nach Zustand wird die Ware nach Osteuropa, Afrika und weitere Länder verkauft und dorthin transportiert.
- Im Zielland wird sie dann gebraucht verkauft.
Verdient wird bei jedem Schritt mit abnehmender Marge. Im Ganzen geht es auf dem Altkleider-Markt um richtig, richtig viel Geld. Von Gemeinnützigkeit in der Regel keine Spur.
Container vom Deutschen Roten Kreuz
Leider ist davon auch das Rote Kreuz nicht ausgenommen. Spätestens nach der NDR-Reportage „Die Altkleider-Lüge“ hat der ein oder andere vielleicht aufgehorcht und Fragen gestellt. Hier findet ihr übrigens die Stellungnahme des DRK dazu. Ein fader Beigeschmack blieb – zumindest bei mir – dennoch. Gemäß einem Artikel der dw nimmt das DRK jährlich circa 13,5 Millionen Euro durch Altkleider-Spenden ein. Das Geld wird zwar auch verwendet für wohltätige Zwecke, aber der Verantwortung entziehen, kann sich auch das DRK nicht. Ein im Zielland angerichteter Schaden kann durch diese wohltätigen Zwecke nicht so einfach aufgehoben werden.
Container mit FairWertung-Siegel
Für alle, die bis hierhin gelesen haben (WOW und danke 🤗) und sich jetzt fragen wohin mit den ganzen alten Kleidern, gibt es eine (Teil!)-Lösung. Es gibt Container, die das sogenannte FairWertung-Siegel tragen. FairWertung ist ein Zusammenschluss verschiedener Altkleidersammler, um sicherzustellen, dass die Erlöse dieser Altkleider-Spenden durchweg einem wohltätigen Zweck zugutekommen. Deinen nächsten Container findest du auf der Seite der Standortsuche.

Man könnte jetzt meinen, dass die Spenden ja doch einen guten Einfluss haben können. Schließlich schaffen sie auf dem osteuropäischen oder afrikanischen Markt viele Arbeitsplätze und viele Menschen können sich reguläre Kleidung gar nicht leisten. Zum ersten Argument; es schafft natürlich Arbeitsplätze, aber es zerstört dafür andere und verzerrt den Preis vor Ort. Unsere Spenden bzw. die Ware wird so angeboten, dass die heimische Textilindustrie vielerorts zusammenbricht. Es gibt zwar mittlerweile Studien, die sagen, dass die jeweiligen Textilindustrien den Bedarf nicht mehr decken könnten und es die gebrauchte Kleidung zusätzlich braucht, diese müssen jedoch kritisch betrachtet werden. Sie stellen nur unsere westliche Sichtweise dar. Die afrikanische Sichtweise kommt da zu ganz anderen Aussagen und Ergebnissen. Vielleicht liegt die Wahrheit auch irgendwo dazwischen, wer weiß. Trotzdem erlassen immer mehr afrikanische Länder Importverbote für Altkleider, u. a. um die eigene Wirtschaft zu schützen. Ein zwar politisches, aber ziemlich klares Zeichen, finde ich.
Auch was Secondhand-Kleidung als einzige Möglichkeit zur Deckung der Grundversorgung betrifft, gibt es eine Kehrseite. Gebrauchte Kleidung ist für viele die einzige Möglichkeit überhaupt Kleidung zu kaufen. Jedoch gelangen unsere Spenden in erster Linie in die reicheren afrikanischen Länder, die zahlungsfähig sind. Schon vergessen – es geht nur ums Geld. Mit Bedürftigkeit hat das wenig zu tun, denn den wirklich bedürftigen Menschen bleiben unsere Spenden oftmals verwehrt.
Spenden an die Deutsche Kleiderstiftung e. V.
Da bei uns kein FairWertung-Container in der Nähe war, musste ich für meine Kleiderspenden eine Alternative suchen. Den saisonal passenden Teil konnte ich an ein lokales Sozialkaufhaus geben, aber für den Rest musste eine andere Lösung her. Nach der Eingabe der Postleitzahl auf der Standortsuche von FairWertung, wurde mir die deutsche Kleiderstiftung e. V. angezeigt. Bei der kann man einen Paketschein anfordern und die Kleider kostenlos versenden. Das war einfach und unkompliziert. Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass du nur gut erhaltene Kleidung und Schuhe versenden solltest.
Falls ich das jemals wieder brauche, werde ich das auch wieder nutzen. Zumindest, wenn es lokal nicht möglich ist. Da sich meine Anzahl aber drastisch reduziert hat und sich mein Bewusstsein grundlegend verändert hat, wird das glücklicherweise nicht mehr so schnell der Fall sein. Und wenn doch, dann nur für einzelne Stücke, die meistens in den Sozialkaufhäusern willkommen sind, sofern gut erhalten.
Es gibt also transparentere und wohltätigere Möglichkeiten über Container zu spenden, aber die perfekte Lösung bieten auch sie nicht. Es ändert am Ende ja nichts daran, dass wir zu viel und zu billig konsumieren und unsere Kleidung auf irgendeinem Markt landet, auf dem sie als gefragte und gewinnbringende Ware verkauft werden. Wer da helfen möchte, der muss sich die Mühe machen und genauer hinschauen.
Was also nun? Überraschung: die Lösung hast du selbst in der Hand.
Du bist die Lösung und kannst sofort etwas dafür tun, um die Ressourcen, deinen Geldbeutel, die Textilmärkte und unsere Umwelt zu schonen! Netter Nebeneffekt: du wirst mehr Zeit haben, da Shoppen, Bummeln und Ausmisten weniger werden oder wegfallen. Du fragst dich jetzt, ob du wirklich etwas bewirken kannst? Oh ja, du alleine kannst eine Menge bewirken:
1. Kaufe weniger oder einfach mal nichts mehr.
Wir Deutschen kaufen andauernd etwas. Es geht uns einfach zu gut und an jeder Ecke lauern Konsumfallen. Vielleicht probierst du mal einen Konsum-Ban aus. Vielleicht erst einmal einen Monat oder auch drei Monate. Keine Kleidung online, offline, gebraucht, geschenkt.
Du kannst dir auch einen strikten Neukauf-Ban vornehmen. Wir haben einige Monate gar nichts gekauft und waren super überrascht, wie gut das letztendlich ging. Danach haben wir nur noch gebraucht gekauft. Bei den wenigen Ausnahmen, die es gab, haben wir lange abgewogen wie wichtig der Kauf für uns ist.
Kleiner Exkurs in meinen Kleiderkonsum
Ich habe mir 2020 nur ein neues Kleidungsstück und ein Paar neue Kletterschuhe gegönnt. Ersteres war von einer hochwertigen FairFashion-Marke und vor dem Kauf gut durchdacht. Alle anderen Dinge (ich führe eine Liste darüber, um mich selbst immer wieder zu unterstützen und daran zu erinnern) waren gebraucht oder sogar getauscht mit alter Kleidung. Es waren 12 gebrauchte Kleidungsstücke plus 6 neue Paar Socken und einen neuen Sport-BH. Da sind sich viele nicht einig, ob Socken und Unterwäsche ausgenommen werden dürfen. Mir ist das eigentlich egal, aber mein Ziel für 2021 ist nun natürlich, dass ich drunter oder zumindest nicht drüber komme. Mal sehen, ob ich es schaffe.
2. Nutze was du hast und trage es länger.
Wir tragen unsere Kleidung nur noch halb so lang wie in den frühen 2000ern. Indem du deine Kleidung länger trägst und sie zum Beispiel auch reparierst, verlängerst du natürlich die Lebensdauer deiner Kleidungsstücke, du verringerst aber auch direkt den CO2-Abdruck, den sie hinterlassen. Natürlich hatte ich schon den Fall, dass bei einer Bluse der oberste Knopf fehlte und ich sie nur aus diesem Grund nicht mehr trug. Wie blöd, wenn ich zurückblicke. Der Knopf wäre in fünf Minuten angenäht gewesen und die Bluse vollwertig tragbar. Es gibt ja auch zu allem Tutorials und jeder kann Kleinigkeiten lernen, die einen so großen Einfluss haben. Und wenn das so gar nicht deine Sache ist, dann gibt es da noch so etwas wie einen Schneider und Repair-Cafés.
Diesen Punkt der Langlebigkeit, kannst du übrigens nur befolgen, wenn du umdenkst und auch den nächsten Punkt beachtest. Der, eines sehr sorgfältig überlegten und bewussten, fairen Konsums.
3. Kaufe FairFashion statt FastFashion.
Mode die fair, umweltfreundlich und möglichst natürlich produziert wurde, findet man zum Glück immer häufiger. Aber auch hier lohnt sich ein kritischer Blick auf die einzelnen Labels und eventuelles Greenwashing. Lass dich nicht blenden und recherchiere lieber einmal mehr. Ich muss mir auch noch angewöhnen, vor einem Kauf mehr zu hinterfragen und zu recherchieren. Erst kürzlich habe ich Menstruationsunterwäsche gekauft von einer tollen, fairen Marke, um einige Wochen später zu lesen, dass man gut abwägen sollte, ob man Pestizide in der Membran möchte oder nicht. Schwieriges Thema und ich habe noch keine klare Meinung dazu. Ich bin nur sehr froh, dass ich erst einmal nur ein Slip gekauft habe und nicht gleich vier oder fünf. Das hat auch den Vorteil, dass ich jetzt in Ruhe schauen kann, wie ich mit dem einen zurechtkomme. Erst danach entscheide ich, ob ich noch einen anschaffe.
Ein anderer Effekt, der zumindest bei vielen FairFashion Unternehmen im Vordergrund steht, ist die Qualität. Die Materialien sind sorgfältig ausgewählt und die Verarbeitung erfolgt nicht in Masse Übersee, sondern meistens in Europa und vor allem fair. Das bedeutet automatisch, dass Punkt zwei auch funktionieren kann. Denn ein T-Shirt dass billig produziert wurde hält dir ganz klar nicht so lange wie eines, das in der ganzen Wertschöpfung hochwertiger gefertigt wurde.
Du siehst, es ist eigentlich ganz einfach sich selbst und seine Ansichten auf die Mode und Industrie zu hinterfragen und zu ändern. Kleine Schritte bewirken hier schon viel. Neben all den Vor- und Nachteilen unserer Altkleider-Spenden, entscheidest schließlich du alleine. Du entscheidest dich etwas zu kaufen, etwas wegzuwerfen, etwas zu spenden usw. Manche Gegebenheiten ändern sich schwerfällig und nicht von heute auf morgen. Dieser Beitrag soll dir aufzeigen, dass man die Augen offen halten und bewusst handeln sollte – bei der Spende wie eben auch davor, beim Kauf. Denn jeder Einkauf ist ein Stimmzettel.
Buying is voting!
Nach diesem doch etwas längeren Beitrag, interessiert es mich total, was du für Erfahrungen gemacht hast mit Altkleider-Spenden und wo du sie in der Regel abgibst. Vielleicht gibt es noch weitere tolle Möglichkeiten. Wusstest du um die Missstände und war dir das alles schon bewusst?
Ich bin gespannt 💚
Quellen zum Nach- und Weiterlesen:
Greenpeace.de, Fairwertung.de, SWR Marktcheck, DW News